Firmengeschichte
Vor 100 Jahren startete Franz Mietzsch in die Selbständigkeit - ein Stück Dresdner Geschichte.
Hundert Jahre sind eine lange Zeit. Die Jahre seit 1904 sind angefüllt mit katastrophalen Wechselfällen und glücklichen Momenten. Schon der Start war kühn: Franz Mietzsch zog als Nagelschmied von Radeburg nach Dresden und eröffnete mit seiner Frau ein Geschäft für Blech- und Haushaltwaren. Er selbst arbeitete als Klempner.
Bald kam die eigene Werkstatt dazu, und die wuchs ständig. Waren es zu Beginn die Haushaltwaren, Bäckereigeräte, Kupferarbeiten, Gas- und Wasserinstallation, die das Geschäft bestimmten, so kamen nach der Inflationszeit auch Metallbuchstaben und Leuchtreklame, Schmiede- und Treibarbeiten für Wohn- und Geschäftshäuser hinzu. 1927 zählte der Betrieb schon 30 Beschäftigte und mußte in größere Räume umziehen.
Die chemische Industrie kam zum Laufen und ihre neuen Produkte - die Kunststoffe - ließen sich ähnlich verarbeiten wie Bleche und Metallrohre, hatten aber bei chemischen Einflüssen entscheidende Vorteile. Der Sohn Rudolf Mietzsch erkannte das und stellte sich darauf ein. Sehr schnell nutzte er die betrieblichen Erfahrungen und verarbeitete die neuen Werkstoffe schon 1933 als Bauwerksabdichtungen und Rohrleitungen. Das nahm bald große Bereiche der Fertigung ein und schon 1934 nannte man den Betrieb "Gummiklempnerei". 1936 wurde das Talsperrensystem am Kapruner See abgedichtet, chemische Apparate und Behälter mit Kunststoff ausgekleidet und ein Ventilator aus Stahlblech mit dem Kunststoff Oppanol beschichtet, um ihn im Fluorwerk Dohna einsetzen zu können. Damit waren die Weichen für die Zukunft des Unternehmens gestellt.
Die Verarbeitung dieser neuen Materialien brachte Erfahrungen, die auch andere Unternehmen benötigten. 1940 wurde Rudolf Mietzsch gebeten, im Deutschen Normenausschuß DIN bei der Normung von Kunststoffrohren mitzuarbeiten.
Der Betrieb mußte sich vergrößern, neue Werkstätten sollten auf der Josephinen- und auf der Ammonstraße im März 1945 eröffnet werden. Beim Bombenangriff am 13. Februar wurden alle Fertigungsstätten und Büros zerstört. Es mußten dringend Reparaturarbeiten an den Versorgungsleitungen der Stadt (Gas-, Wasser- und Heizleitungen) erfolgen. 1948 bis 1952 kamen Reparaturen an den Kupfer- und Bleidächern der Hof- und der Kreuzkirche dazu.
Aber schon 1946 entstand der erste Ventilator ganz aus Kunststoff in Einzelanfertigung, wieder für die Fluorwerke Dohna. 1949 lief die Serienfertigung an.
Der Bereich der Bauwerksabdichtungen beschäftigte den Betrieb weiter. Waren es 1940 die Betonschwimmdocks in Hamburg, wurden ab 1952 wieder Talsperren abgedichtet; alle Talsperren der DDR waren Einsatzorte der Spezialisten von Franz Mietzsch. Zur 50-Jahr-Feier 1954 war der Betrieb "die größte Klempnerei Sachsens".
Die Ventilatorenproduktion nahm zu; 1955 stellte der Betrieb seine Lüfter auf der Messe in Neu-Delhi aus.
Die Betonfugen der Ingenieur- und Wasserbauwerke wurden bisher mit Kupferfugen abgedichtet. Rudolf Mietzsch entwickelte erstmals in Europa ein Fugenband aus PVC und meldete es 1957 zum Patent an.
Die zunehmende Produktion von Ventilatoren erforderte 1961 die Ausarbeitung von Werkstandards für die Teilefertigung und für komplette Erzeugnisse. Diese Standards fanden 1968 Aufnahme in den Fachbereichstandard TGL 20 926 der DDR.
Auf der Leipziger Frühjahrsmesse 1962 waren erstmals korrosionsbeständige, standardisierte, hochleistungsfähige Radiallüfter aus Hart-PVC in verschiedenen Größen und Leistungen ausgestellt, die Typen KLA und KLD. 1964 kamen die ersten Dachventilatoren KDLR hinzu. Beide Baureihen wurden in den Folgejahren in Schiffswerften, im Schiffsbau, in der Chemieindustrie, in Walzwerken, in der Wasserwirtschaft und im Wohnungsbau eingesetzt und bewährten sich. Diese Erzeugnisse wurden in 21 Länder exportiert.
Die Franz Mietzsch KG gehörte 1972 zu den 12 000 bis dahin noch privaten Unternehmen in der DDR, die durch Parteibeschluß innerhalb von nur vier Monaten in einer Aktion der "kalten Enteignung" durch den zwangsweisen Verkauf ihrer Anteile verstaatlicht wurden. Der VEB Plastlüfter- und Anlagenbau Dresden war der Rechtsnachfolger. Die zielstrebige Entwicklung der Erzeugnisse ging weiter, die Kapazität wurde ausgebaut. 1980 erhielt der Betrieb für seine Dachlüfter die Goldmedaille auf der Leipziger Frühjahrsmesse. 1977 kamen Anlagen in den Kernkraftwerken der DDR hinzu, nach 1990 auch mit Zertifikat im KKW Philippsdorf.
Nach der Wende konnte der Betrieb durch die einstigen Besitzer zurückgekauft werden. Die Prüfungen der Vergangenheit waren hart, sie gingen oft an die Substanz. Befreit von den Fesseln des Mangel geht nun ein Ruck durch den Betrieb. Engagierte und verläßliche Mitarbeiter, die vorangehen, mutig und ideenreich, wie es in den vergangenen 100 Jahren immer wieder war, ziehen mit, bringen den Betrieb auch unter den veränderten Bedingungen der Marktwirtschaft in eine stabile Position. Darin liegt die Kraft des Unternehmens.
Gut ausgebildete und engagierte Mitarbeiter sind ein Garant einer positiven Betriebsentwicklung. Deshalb bildet das Unternehmen auch Lehrlinge aus. Wurden bis 1993 vor allem Fremdbetriebe für die Ausbildung zum Kunststoffschlosser genutzt, so erfolgte diese danach im eigenen Hause. Es konnten seit 1990 40 Lehrlinge ausgebildet und zum Facharbeiter qualifiziert werden. Sie sind heute ein aktiver Teil der Belegschaft.
Dr. Wendt
Geschäftsführer
Dresden, am 22. März 2004